Frühe 1940er Live-Übertragung
Irgendwann in den frühen 1940ern: Der »gleichgeschaltete« Reichsrundfunk erfüllt den Auftrag, die Welt mit deutscher Musik, d.h. in erster Linie mit Brahms, Bruckner und Beethoven zu beglücken. Sehr spät am Abend, ja praktisch mitten in der Nacht, werden die Musiker des seinerzeitigen »Frankfurter Rundfunk-Symphonie-Orchesters« in den Sendesaal gerufen, um eine Beethoven-Sinfonie live in die deutschen Kolonien in Südwestafrika zu schicken. Die nationalistisches Pathos verbreitende Aktion wird allerdings unerwartet gestört.
In den letzten Minuten der Übertragung passiert ausgerechnet in der Stille einer Generalpause einem der Musiker etwas Menschliches – und um den reichsdeutschen Ernst ist es geschehen. Nur mit Mühe bringen Dirigent und Musiker ihren Beethoven zu Ende. Der Mann am Pult ertrinkt förmlich in der Partitur, wagt keinen Blick ins Ensemble. Auch im Orchester selbst schauen alle geradeaus. Nur keine Kontakte, jetzt, solange die Übertragung läuft!
Kaum jedoch sind die Signale für Sendung und Übertragung erloschen, entlädt sich die Spannung in einem befreienden, auch falsches politisches Pathos wegfegenden Gelächter. Auf einmal erscheint die Panne wichtiger als der reichsdeutsch instrumentalisierte Beethoven. Und einer ruft es aus fast wie ein revolutionäres Fanal und über das allgemeine Gelächter hinweg: »Den hat man bis nach Südwestafrika gehört!«