Musik mit Händen Der Gebärdenchor Lukas 14 und das "Arche Noah"-Projekt
Können gehörlose Menschen Musik hören? Eigentlich nicht. Aber sie können sie sehen, wenn der Frankfurter Gebärdenchor Lukas 14 den Text übersetzt, sich im Takt bewegt und damit die Stimmung rüberbringt. So auch beim Inklusionsprojekt "Die Arche Noah".
Probe in Frankfurt-Unterliederbach, in einer großen Turnhalle: Unter der Leitung des Tänzers, Choreographen und Regisseurs Miguel Angel Zermeño sind über 100 Menschen versammelt, Schüler, Erwachsene, Senioren, Menschen mit und ohne Handicap - und eben der Gebärdenchor Lukas 14.
Sie alle nehmen teil an dem großen Inklusionsprojekt "Die Arche Noah", einer Kooperation zwischen der Frankfurter LORENZ Stiftung und dem hr-Sinfonieorchester. Dafür hat die Sängerin Laura Suad den Titelsong "Gemeinsam die Welt bewegen..." geschrieben und komponiert. Und der wird in Gebärdensprache übersetzt.
Die "Lukas-Leute" machen es vor, alle anderen versuchen, die richtigen Gebärden hinzubekommen. Es macht ihnen sichtlich Spaß, denn bei der Aufführung - so ist es geplant - sollen auch die Zuschauer das Lied mitsingen und mitgebärden. Am Anfang klappt es noch nicht so gut, aber nach und nach werden die Bewegungen weniger zögerlich, flüssiger und am Ende auch verständlich.
Musik mit vollem Körpereinsatz
Probe in der Vilbeler Straße in Frankfurt: Jeden Mittwoch trifft sich der Gebärdenchor, um Organisatorisches zu besprechen, neue Projekte zu planen und anstehende Auftritte zu proben. Denn die Mitglieder von Lukas stehen regelmäßig auf kleineren Bühnen, indem sie Gottesdienste in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet mitgestalten.
"Wir übersetzen nicht nur Kirchenmusik. Bei uns stehen auch Gospels, Schlager und aktuelle Songs auf dem Programm", erklärt Stefan Richter, Gebärdensprachdolmetscher, Lehrer und langjähriges Mitglied des Chores. Die Mitglieder von Lukas 14 leisten vollen Körpereinsatz, wenn sie übersetzen: Sie arbeiten auch mit Bewegung und bauen choreografische Elemente ein. So kann auch die Stimmung der Musik rüberkommen.
Dem Chor gehören Menschen mit und ohne Hörschädigungen an. Einige können überhaupt nichts hören, andere wiederum nur mit den entsprechenden Hörgeräten. Diejenigen, die hören können, unterstützen die anderen. Ihre Arbeit verrichten sie ehrenamtlich.
"Wir berühren die Seele"
Helena Maschanow arbeitet als Gebärdensprachlehrerin an einer Frankfurter Schule. Seit Jahren ist sie Mitglied des Chores und hat vor kurzem die Leitung mit übernommen. Sie stammt ursprünglich aus Russland, wo sie im Alter von elf Jahren aufgrund einer Erkrankung völlig ertaubt ist.
Weil ihre Sprachfähigkeit damals schon voll ausgebildet war, kann sie sehr gut sprechen. Und wenn sie ihr spezielles Hörgerät trägt, versteht sie auch alles.
Für sie ist der Chor "eine gebärdensprachliche Form der Posie". Kunst ist für sie als studierte Theaterwissenschaftlerin ein "Lebensmittel". Sie findet es "sehr schön, dass wir mit Musik arbeiten, weil wir meiner Meinung nach die Seele berühren." Deshalb macht sie begeistert bei der "Arche" mit.
Musikalische und menschliche "Fusion"
Zum zweiten Mal hat die Frankfurter LORENZ Stiftung Menschen aus dem Rhein-Main-Gebiet für die Teilnahme an der Aufführung des "Arche Noah"-Projekts begeistern können. Das erste Mal stand Haydns "Schöpfung" auf dem Programm.
Jetzt, beim zweiten Projekt, ist das hr-Sinfonieorchester mit an Bord. Es ist ein Fusionsprojekt, nicht nur, was die Menschen anbelangt: die Musik reicht von Klassik über Folklore bis hin zu Hiphop - arrangiert für das Orchester des Hessischen Rundfunks.